D. Neuhold: Franz Kardinal König – Religion und Freiheit

Cover
Titel
Franz Kardinal König – Religion und Freiheit. Ein theologisches und politisches Profil


Autor(en)
Neuhold, David
Reihe
Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte
Erschienen
Fribourg 2008: Academia Press
Anzahl Seiten
376 S.
Preis
URL
Rezensiert für infoclio.ch und H-Soz-Kult von:
Franziska Metzger, Departement Historische Wissenschaften - Zeitgeschichte, Universität Fribourg

David Neuholds an der theologischen Fakultät der Universität Fribourg verfasste Dissertation zum Wiener Erzbischof und Kardinal Franz König (1905–2004, Erzbischof 1965–1985), die in der von Professor Mariano Delgado herausgegebenen Publikationsreihe Studien zur christlichen Religions- und Kulturgeschichte erschienen ist, stellt eine Intellektuellenbiographie dar, welche zentrale theologie- und ideengeschichtliche Fragestellungen zu einer Schlüsselperiode der Transformationen im Katholizismus der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bearbeitet. Damit ist das Buch über den österreichischen Theologen und Kardinal hinaus für die zeitgeschichtliche Religionsgeschichte Europas sehr anschlussfähig.

David Neuhold gelingt es, die verschiedenen Tätigkeits- und Ideenfelder des Erzbischofs als Theologe und in seinem kirchenpolitischen Amt nicht allein nebeneinander darzustellen, sondern gerade Verschränkungen, Verlagerungen und Kontinuitäten in den theologischen und gesellschaftlichen Konzeptionen sowie (kirchen)politischen Positionierungen in den Blick zu nehmen. Dabei verfolgt er die Perspektive einer komplexen Intellektuellenbiographie, die von der inneren Ebene des religiösen, theologischen und religionswissenschaftlichen Denkens Königs aus auf die gesellschaftliche und politische Dimension hinüber setzt. So entsteht eine sehr kohärente Darstellung, welche gerade komplexe und differenzierte Einordnungen und Interpretationen nie aus dem Blick verliert. Dies ist bekanntlich sowohl in biographischen Werken wie auch in Bezug auf die jüngste Zeitgeschichte besonders anspruchsvoll, besonders dort wo es um Transformationen von Diskursen und Verhältnissen zwischen Diskursen wie auch von Semantiken geht, wie sie für die Religionsgeschichte seit den 1950er Jahren besonders kennzeichnend sind.

David Neuholds in erster Linie ideengeschichtliche Analyse orientiert sich an Sichtachsen, welche sich in den Feldern Religion und Politik sowie Kirchenbild und Selbstpräsentation der Kirche in der Gesellschaft zusammenführen lassen. Eingehend analysiert er die Positionen und Argumentationsweisen des Wiener Erzbischofs in Bezug auf die Religionsfreiheit, hinsichtlich des Verhältnisses der katholischen Kirche zum Judentum wie auch zu Mission und universaler Ausrichtung der Kirche in einer sich zunehmend pluralisierenden Gesellschaft. Diese Ebenen, welche Neuhold zunächst in dem auf Königs theologische Konzeptionen ausgerichteten Teil untersucht, greift er daraufhin in Bezug auf die politische Positionierung der Kirche im öffentlichen Raum wiederum auf und verfolgt sie etwa in Bezug auf Königs Verhältnis zur Demokratie (in Österreich). So rief der Wiener Erzbischof die Katholiken zum politischen Engagement auf – im Sinne einer «Politik der Grundsätze» (294) – und stellte sich gleichzeitig klar gegen einen «politischen Katholizismus »; die Kirche durfte niemals wieder Partei sein. Damit einher ging die Legitimierung einer Pluralität politischer Lösungsmodelle, wobei König sich zugleich kritisch zu dem in jener Zeit häufig diskutierten Konzept der «Äquidistanz» stellte. Eigentliches Bindeglied des theologischen und politischen Denkens Königs ist für David Neuhold die Pastoralkonstitution Gaudium et spes, welche die katholische Verhältnisbestimmung zwischen Religion und Moral in der Gesellschaft ganz wesentlich neu bestimmte. Während König die Konstitution in einigen Passagen erheblich mitgeprägt hatte, wurde sie insgesamt für seine Argumentation nach dem Konzil bestimmend, indem er in unzähligen Texten und Ansprachen direkt auf sie Bezug nahm.

Mit dem kurzen, aber gehaltvollen vergleichenden Kapitel zu Kardinal Vicente Tarancón im Spanien der transición öffnet David Neuhold den Blick auf eine vergleichend und transfergeschichtlich ausgerichtete Perspektive. Ohne in die Tiefe gehen zu können, bietet er Thesen, die weiterzuverfolgen sehr lohnenswert wären. In der Typologie in Bezug auf das Verhältnis von Religion und Nation, Religion und Politik, die der Autor der Auswahl Spaniens als Vergleichsland zu Grunde legt, zeigt sich indirekt ein Feld, welches in dem Buch immer wieder angetönt wird und dessen Bedeutung indirekt aus verschiedenen Hinweisen abgeleitet werden kann, das aber noch stärker gebündelt hätte thematisiert werden können: die Dimension von Erfahrungen und Erinnerungen, welche für die (katholischen) Intellektuellen und (Kirchen)Politiker der Nachkriegszeit ganz wesentlich durch die Zwischenkriegszeit und den Zweiten Weltkrieg geprägt war.

David Neuhold leistet mit der vorliegenden Studie einen wichtigen Beitrag zur zeitgeschichtlichen Katholizismusforschung, der die Komplexität des Verhältnisses von Religion und Gesellschaft, Religion und Politik in den zentralen Jahrzehnten der Transformation des Katholizismus demonstriert (und nicht etwa einebnet) und mit einer theologieund ideengeschichtlichen Tiefenanalyse geschickt interpretiert. Er legt damit zahlreiche Spuren für weitere, auch vergleichend und transnational angelegte Projekte.

Zitierweise:
Franziska Metzger: Rezension zu: David Neuhold, Franz Kardinal König – Religion und Freiheit. Ein theologisches und politisches Profil, Fribourg/Stuttgart, Academic Press Fribourg/Kohlhammer, 2008. Zuerst erschienen in: Schweizerische Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte, Vol. 104, 2010, S. 525-526

Redaktion
Beiträger
Zuerst veröffentlicht in
Weitere Informationen
Klassifikation
Epoche(n)
Region(en)
Mehr zum Buch
Inhalte und Rezensionen
Verfügbarkeit